Multimodale Schmerztherapie in der Neurologie

Multimodale Schmerztherapie in der Neurologie

Schmerzen kommen in vielfältiger Form vor, akut, chronisch, nach Operationen, aber auch losgelöst von erkrankten Organen. Sie bedürfen einer genauen und aufwendigen Diagnostik sowie einer individuell angepassten Therapie.

In Abhängigkeit vom Beschwerdebild werden Sie von Ärzten und Therapeuten der verschiedensten Fachrichtungen untersucht und betreut. Zu unserem Kernteam der Abteilung gehören Neurologen, Neurochirurgen, Radiologen, Psychiater, Psychotherapeuten sowie Ergo- und Physiotherapeuten.

Viele Studien an beispielsweise Rückenschmerzpatienten haben gezeigt, dass nach einem multimodalen Programm deutlich mehr Teilnehmer an den Arbeitsplatz zurückkehren als nach einer herkömmlichen Behandlung.

Bio-psycho-sozialer Schmerz

Neben biologischen werden auch gedankliche, gefühlsmäßige und soziale Einflüsse aktiv, die das Schmerzgeschehen schwächen oder verstärken. Man spricht deshalb vom bio-psycho-sozialen Schmerz, der eine interdisziplinäre Sicht auf den Schmerz notwendig macht. Psychologische Faktoren spielen bei der Schmerzerklärung eine ebenso wichtige Rolle wie körperliche.

Ziele einer multimodalen Behandlung im körperlichen Bereich sind die Steigerung von Fitness, Belastungskapazität, Koordination und Körperwahrnehmung. Außerdem sollen Sie lernen, Ihre persönlichen Belastungsgrenzen besser zu kontrollieren. Hingegen sollen psychotherapeutische Verfahren die emotionale Beeinträchtigung verringern und das auf Ruhe und Schonung ausgerichtete Krankheitsverhalten sowie die Einstellungen und Befürchtungen in Bezug auf Aktivität und Arbeitsfähigkeit verändern.

Unsere Therapieformen

  1. Physiotherapie

    • das Erlernen eines neuen Bewegungsverhaltens
    • das Steigern körperlicher Aktivitäten
    • die Verminderung von Bewegungsangst
    • das Durchführen einer aktiven Bewältigungsstrategie (z.B. durch Information und Beratung). Dazu gehört die Einbeziehung nahestehender Personen, um diese aktiv am Therapieprozess zu beteiligen.
  2. Faszientraining

    • Dehnen (Dehnübungen) - verbessert die mechanischen Eigenschaften der Faszie
    • Federn (Hüpfen, Schwingen) - erhöht die elastische Speicherkapazität
    • Spüren (Körperwahrnehmung schulen) - regt den Bewegungssinn und die Tiefensensibilität an
    • Beleben (Selbstmassage mit Tennis-, Gummi- oder Faszienbälle oder Rollen) - regeneriert das Gewebe durch Flüssigkeitsaustausch
  3. Gerätetraining

    Das Gerätetraining wird bei Gesunden vorbeugend und bei Patienten heilend eingesetzt,

    • um Ausdauer und Koordination zu verbessern sowie die Muskelkraft zu erhöhen.
    • zur Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität bei Schmerz sowie zur Steigerung von Muskelmasse und Muskelkraft u.a. mit gelenkschützender Funktion.
  4. Massage

    Die Fähigkeit zur Entspannung, um erhöhte Gewebswiderstände in Muskulatur und Haut herabzusetzen und die Durchblutung zu fördern. Häufig werden erst hierdurch Aktivität und Selbstständigkeit im Alltag möglich.

  5. Triggerpunktmassage

    Triggerpunkte sind umschriebene Bereiche innerhalb eines Muskels. Sie lassen sich als derbe ein bis drei Zentimeter große Knoten tasten. Von diesen Verhärtungen aus können auf Druck die dem Patienten bekannten Schmerzen (Symptome) ausgelöst werden (to trigger = auslösen).

    Jedem Triggerpunkt ist ein bestimmter Körperabschnitt zugeordnet. Die Schmerzausstrahlung wird nicht immer nur als Muskelschmerz wahrgenommen, sondern beispielsweise als Zahnschmerz, Sehstörungen, Schwindel, Koordinationsstörungen oder Übelkeit.

  6. Elektrotherapie

    Das TENS-Verfahren (Transcutane = elektrische Nervenstimulation) wird insbesondere bei chronischen Schmerzzuständen angewandt. Es werden Nervenzellen im Rückenmark angeregt, damit sie die körpereigene Schmerzhemmung beeinflussen und so die Fortleitung des Schmerzes verhindern (Schmerztor schließen).

  7. Tapen

    • Muskelanlagen: zur Schmerzlinderung, Tonusregulierung, verbessern der Belastbarkeit
    • Ligamenttechniken: zum Entlasten der Bänder
    • Faszientechniken: zum Lösen von Verklebungen der Gewebe (Adhäsionen)
    • Korrekturanlagen: z.B. bei Fehlstellung der Kniescheibe (Patella)
    • Lymphanlagen: bei Störungen des Lymphabflusses
  8. Kunsttherapie

    In der Kunsttherapie wird die Entspannungsfähigkeit und Stressbewältigungskompetenz des Patienten durch verlässliche Sicherheit im Tun, einen geschützten und unterstützenden Rahmen, sowie eine strukturierte Arbeitsweise, z.B. an Motivvorlagen, gefördert.

    Diese Sicherheit bietet die Voraussetzung, um im kreativen Prozess mit abwechslungsreichen Materialien, Formen und Farben eine durch die Schmerzproblematik eingeengte Aufmerksamkeit für Sinneserfahrung wieder erweitern zu können. Daraus kann sich eine Modulation des eigenen Schmerzerlebens entwickeln, die sich positiv und selbstverstärkend auswirkt.

    Die kreative Tätigkeit ermöglicht ein Abwenden vom Schmerzempfinden auf vorhandene Interessen und Ressourcen. Das Schmerzempfinden wird im subjektiven Erleben reduziert.

    Der kunsttherapeutische Ansatz ist prozessorientiert und weniger auf das Endprodukt ausgerichtet.

  9. Musiktherapie

    Innerhalb der Musiktherapie können verschiedene evidenzbasierte Konzepte zur Anwendung kommen:

    • Rezeptiver Einsatz von Musik (Konzept nach Spintge, 1983). Hierbei wird sogenannte medicofunktionale Musik aus dem Bereich Naturklang, New Age, Minimal Music etc. eingesetzt - Musik ohne betont rhythmische Struktur für Patienten mit chronischem Schmerz. Das Hören des gemeinsam mit dem Patienten entwickelten Musikprogramms soll als Hilfe zur Selbsthilfe in das tägliche Leben des Patienten eingebunden werden.
    • Aktive Musiktherapie bei akuten und chronischen Schmerzen. Hierbei steht die Arbeit an der emotionalen Komponente chronischer Schmerzen (Schmerz-Spannungszirkel) im Mittelpunkt. Therapieziele sind hier die Reduktion der psychischen Belastung sowie die Verringerung von Schmerzstärke und Schmerzqualität.
  10. Psychoedukation

    Ein wichtiger Bestandteil der Behandlung ist eine ausführliche Information und Schulung der Patienten (Psychoedukation), die über die biologischen, psychologischen und sozialen Hintergründe des Schmerzes informiert. Auf diese Weise sollen die Betroffenen allmählich erkennen, dass nicht nur körperliche Faktoren, sondern auch psychische und soziale Aspekte die Schmerzsymptomatik beeinflussen – und dass sie solche Faktoren durch gezielte Veränderungen selbst beeinflussen können.

  11. Psychotherapie

    Psychotherapie hat sich als eine effektive Behandlungsmethode bei chronischen Schmerzen erwiesen. Sie kann sowohl das Erleben der Schmerzen verringern als auch die Lebensqualität verbessern. Die Wirksamkeit liegt dabei im mittleren Bereich – die Effekte sind hier also im Durchschnitt etwas geringer als beispielsweise bei der Therapie von Angststörungen oder Depressionen. Im Rahmen einer stationären multimodalen Schmerztherapie kommt in der Regel die kognitive Verhaltenstherapie zum Einsatz. Zu Beginn der Therapie werden - nach einer entsprechenden Psychoedukation - zunächst gemeinsam mit dem Patienten die Ziele der Therapie definiert. Dabei steht häufig die Verbesserung der Lebensqualität im Vordergrund. Ziel ist es, die Schmerzen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.

  12. Entspannungsverfahren

    Ein weiteres Element der Therapie sind Entspannungsverfahren wie progressive Muskelrelaxation, Autogenes Training, Meditation oder Biofeedback. Durch die Schmerzen und die damit verbundene Anspannung haben viele Betroffene eine erhöhte Muskelspannung, die durch die Entspannungsverfahren verringert werden kann. Dies kann wiederum zu einer Abnahme der Schmerzen führen.

  13. Biofeedback

    Beim Biofeedback lernen die Patienten gleichzeitig, ihre Muskelanspannung gezielt zu steuern und so mehr Kontrolle über die Schmerzen zu bekommen. Biofeedback wird zum Beispiel häufig bei chronischen Kopfschmerzen eingesetzt und erzielt dabei gute Erfolge.

  14. Aktivitätsaufbau und Sport

    In der Therapie wird angestrebt, dass die Patienten wieder körperlich aktiver werden und bisher vermiedene Aktivitäten allmählich wieder aufnehmen. Dazu sollte auch eine regelmäßige sportliche Aktivität gehören. Sie kann die durch Schonung geschwächte Muskulatur wieder kräftigen, verkürzte Muskeln dehnen und die Körperhaltung und Koordinationsfähigkeit verbessern. Gleichzeitig führt sie auch zur Ausschüttung von Endorphinen, welche die Schmerzen hemmen.

    Außerdem können die Betroffenen so wieder vielfältigere und positive Erfahrungen machen, anstatt sich nur noch mit ihren Schmerzen zu beschäftigen. Sie sollten dabei Sportarten wählen, die ihnen Spaß machen und die sie trotz der Schmerzen als angenehm empfinden. Geeignete Sportarten sind häufig Radfahren, Schwimmen oder Walking.

    Gleichzeitig wird darauf geachtet, dass die Patienten ein Gleichgewicht zwischen Aktivitäten und Ruhephasen erreichen und so Überlastungen vermeiden. Dies ist vor allem bei Migränepatienten wichtig.

  15. Einsatz von vibroakustischen Methoden (Körpertambura, Klangliege)

    Hierbei stellen sich folgende Wirkungen ein:

    • Entspannung der Muskulatur
    • Abbau von innerer Anspannung
    • Förderung positiver Körperwahrnehmung
    • allgemeine Schmerzlinderung
  16. Medikamentöse Schmerzbehandlung

    Schmerzmittel sind ein wichtiger Baustein im Rahmen einer Schmerzbehandlung. Bei langanhaltenden Schmerzen sollte die medikamentöse Therapie durch weitere Verfahren wie beispielsweise Psychotherapie oder Physiotherapie (Krankengymnastik) ergänzt werden, denn Medikamente gegen Schmerzen beseitigen in der Regel nicht begleitende seelische Belastungen oder beispielsweise körperliche Fehlhaltungen bei Muskelverspannung. Zusätzlich können Schmerzmittel auch belastende Nebenwirkungen haben. Im Vordergrund steht deshalb bei einer medikamentösen Schmerzeinstellung das Herausfinden des bestmöglichen Gleichgewichts zwischen einer guten Schmerzlinderung und gleichzeitig noch gut aushaltbaren Nebenwirkungen. (DSG e.V.)

  17. Invasive Schmerztherapie / Nervenblockaden

    • Um sicher zu sein, dass das Lokalanästhetikum an die richtige Stelle gelangt, werden bei diagnostischen Blockaden zusätzlich bildgebende Verfahren wie Röntgen oder Computertomografie eingesetzt. Beispielsweise kann eine Nervenwurzel, die durch den Druck einer vorgefallenen Bandscheibe einen Schmerz hervorruft (sog. radikulärer Schmerz), über ein Computertomogramm (CT) gezielt aufgesucht und blockiert werden.
    • Wiederholte Blockaden dieser Nerven an bestimmten Nervenknoten können insbesondere in der Frühphase der Erkrankung die negativen Prozesse stoppen, Schmerzen mindern und die Heilungsprozesse fördern.
    • Dabei wird das Lokalanästhetikum in die Nähe des Rückenmarks (Epiduralraum) eingebracht. Auch Cortison kann auf diesem Weg verabreicht werden und so zur Abschwellung von beispielsweise gedrückten Nerven führen.
Therapeutenliste Verhaltenstherapie

Um die Stärke, Dauer und Häufigkeit des Schmerzerlebens zu erfassen, werden häufig Schmerztagebücher eingesetzt. Darin kann auch festgehalten werden, wie oft der Patient welche Medikamente einnimmt und welche Tätigkeiten er im Lauf des Tages ausübt. So lassen sich mit der Zeit die Faktoren, die die Schmerzen auslösen oder aufrechterhalten (zum Beispiel bestimmte Aktivitäten oder soziale Situationen) gut erkennen.

Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist es, ungünstige (dysfunktionale) Gedanken und Überzeugungen des Patienten zu erkennen und allmählich zu verändern. Dies können Gedanken sein wie: „Wegen der Schmerzen kann ich kaum noch etwas machen“ oder „Mit den Schmerzen kann ich nichts mehr genießen“. Solche Einstellungen sollen allmählich durch realistischere Gedanken und eine gelassenere Haltung gegenüber den Schmerzen ersetzt werden – zum Beispiel durch die Einstellung: „Manches fällt mir mit den Schmerzen zwar schwer, aber ein paar Dinge kann ich doch genießen“ oder „An manchen Tagen ist es schlimm, aber an anderen ist es deutlich besser.“ So können allmählich auch die Hilflosigkeit, die Ängste und die depressive Stimmung der Patienten verringert werden.

Strategien zur Lenkung der Aufmerksamkeit können dazu beitragen, die Schmerzen weniger stark zu beachten und weniger negativ zu bewerten. Zum Beispiel lernen die Patienten bei einem Achtsamkeitstraining, das momentane körperliche Geschehen einfach zu beobachten, ohne es zu bewerten. Das kann zu einer gelasseneren Haltung gegenüber den Schmerzen beitragen. Auch ein Genusstraining hilft dabei, andere sensorische Reize als den Schmerz (zum Beispiel sanfte Berührungen oder schmackhafte Speisen) wieder stärker wahrzunehmen und zu genießen.

Wichtig ist aber auch, die möglichen Funktionen des Schmerzes zu erkennen und zu verändern. So kann es sein, dass ein Patient mithilfe der Schmerzen Problemen aus dem Weg geht, die er anders nicht lösen kann – zum Beispiel vermeidet er so Konflikte. In der Therapie werden diese Zusammenhänge zunächst behutsam deutlich gemacht. Anschließend können die Patienten Problemlösestrategien einüben, mit denen sie die Probleme und Konflikte auf andere Weise lösen können. Bekommt ein Patient durch sein Schmerzverhalten bestimmte Vorteile (zum Beispiel besondere Zuwendung von Familienangehörigen oder Freunden), sollte auch dieses Verhalten verändert werden. Dabei ist es oft sinnvoll, die Bezugspersonen mit in die Therapie einzubeziehen.

Schließlich sollen die Patienten auch ihr Verhalten, wegen ihrer Beschwerden immer wieder ärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, hinterfragen und verändern. Denn auch durch dieses Verhalten konzentrieren die Betroffenen ihre Aufmerksamkeit auf die Schmerzen. Außerdem kommt es dadurch oft zu unnötigen Untersuchungen und Behandlungen, die die Schmerzsymptomatik aufrechterhalten können. Stattdessen sollen die Patienten lernen, selbstsicherer mit Arztbesuchen umzugehen und bewusst zu entscheiden, ob ein weiterer Arztbesuch oder eine weitere Untersuchung notwendig sind oder nicht. Auch eine unkontrollierte Einnahme von Schmerzmitteln soll in der Therapie hinterfragt und verändert werden.

Ziele einer multimodalen Schmerztherapie

  • die Alltagstätigkeiten wiederaufnehmen
  • die Arbeitsfähigkeit wiederherstellen und die Arbeitsaufnahme fördern
  • die körperlichen Schwächen abbauen
  • die Bewegungsangst verringern
  • das Risikoverhalten verändern - z.B. Schonverhalten, Durchhalteverhalten
  • zu gesundheitssportlicher Aktivität im Alltag hinführen
Schmerztherapie im Rahmen einer stationären neurologischen Reha

Die neurologische Abteilung der VAMED Klinik Hagen-Ambrock bietet im Rahmen einer stationären neurologischen Rehabilitation bei entsprechender Indikation diese multimodale Schmerztherapie an. Die landschaftlich reizvolle Lage der Klinik bietet ideale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Reha-Maßnahme. Die Behandlung erfolgt im Rahmen einer neurologischen Rehabilitation mit einer neurologischen Hauptdiagnose wie M. Parkinson, Multiple Sklerose, Polyneuropathie etc. Eine stationäre Aufnahme alleine aufgrund von Schmerzen ist daher nicht möglich.